Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass unsere Patienten keine Vergrößerung der Schilddrüse durch Jodmangel entwickeln. Das gilt in besonderem Maße für Kinder und Jugendliche.
Wie Sie vielleicht wissen, weist bereits jedes vierte Kind in unserer Region bei seiner Einschulung eine Schilddrüsenvergrößerung auf. Jede dritte Frau im Alter von 20 Jahren muß bereits Schilddrüsenhormon-Präparate zu sich nehmen, um ein weiteres Wachstum der Schilddrüse zu verhindern.
Zur Zeit liegt die tägliche Jodaufnahme von Erwachsenen in Deutschland bei etwa 115 µg Jod pro Tag. In Amerika sind es aufgrund einer generellen Jodversorgungs-Verordnung 200 bis 500 µg und in Japan sogar bis 1000 µg Jod, die täglich im Rahmen der Ernährung aufgenommen werden. Hier finden sich kaum vergrößerte Schilddrüsen mit den entsprechenden Folgeerkrankungen.
Die Vergrößerung der Schilddrüse durch Jodmangel wird als Jodmangelstruma bezeichnet und ist der Ausgangspunkt einer Vielzahl von Krankheiten, wie z. B. die Ausbildung von Knoten, Über- bzw. Unterfunktion, Verlagerung und Einengung der Luftröhre sowie Wachstum von Schilddrüsenanteilen hinter dem Brustbein.
Die meisten Schilddrüsenkrankheiten sind zu vermeiden, wenn frühzeitig eine ausreichende Jodversorgung der Bevölkerung sichergestellt ist. Leider reicht die alleinige Verwendung von Jodsalz im Haushalt nicht aus. Es wäre sinnvoll, dass alle industriell verfertigten Lebensmittel, die Salz benötigen, mit Jodsalz hergestellt werden. Dazu kommt, dass in unserer Gegend zu wenig Fisch und Meeresfrüchte verzehrt werden, die ja bekanntlich eine große Menge Jod enthalten.
Jod wird von der Schilddrüse zur Produktion der Schilddrüsenhormone T4 (Thyroxin) und T3 (Trijodthyronin) benötigt. T3 und T4 sind für das Funktionieren von vielen Funktionsabläufen in unserem Körper verantwortlich und beeinflussen ganz wesentlich die körperliche und geistige Entwicklung. Gestörte Lernfähigkeit, eingeschränkte Merkfähigkeit und Konzentrationsstörungen sind häufige Folgen einer unzureichenden Jodversorgung. Besonders problematisch ist der Jodmangel in der Schwangerschaft, weil hier ein erhöhter Jodbedarf vorliegt. Massiver Hormonmangel durch zu wenig Jod führt zu Störungen des Nervensystems, vermindertem Wachstum des Gehirns und verlangsamter psychomotorischer Entwicklung des Kindes nach der Geburt. In extremer Form ist dieses Krankheitsbild als Kretinismus bekannt.
Die einzig wirksame, vorbeugende Maßnahme gegen den Jodmangel und der damit verbundenen Schilddrüsenvergrößerung und nachfolgender Krankheit ist die ausreichende Gabe von Jod. Heute gelten die folgenden Dosierungs-Empfehlungen von Jod zur Vorbeugung der Struma:
– Säuglinge und Kinder: 50-100 µg Jod/Tag,
– Jugendliche und Erwachsene: 200 µg Jod/Tag
– Schwangerschaft und Stillzeit: 200 µg Jod/Tag.
Ein Gramm Jodsalz enthält etwa 20 µg Jod. Es ist offensichtlich, dass Nudeln, Reis oder Kartoffeln, die mit Jodsalz gekocht werden, nur wenig Jod aufnehmen, da das Kochwasser mit dem Jodsalz anschließend weggegossen wird. Nur das Jod, welches zum Beispiel beim Salzen einer Tomate unmittelbar verzehrt wird, gelangt in bedeutenden Mengen in unseren Stoffwechsel.
In der Vergangenheit habe ich ein Jod-Depot-Präparat verordnet, welches nur einmal pro Woche eingenommen werden musste. Nun hat sich aber herausgestellt, dass die Depot-Wirkung dieses Präparates nur etwa vier Tage gegeben ist, wodurch für die übrigen drei Tage der Woche keine ausreichende Jodversorgung sichergestellt war. Aus diesem Grund bevorzuge ich heute die tägliche Gabe einer Jodtablette.
Gelegentlich wird eine sogenannte „Jodallergie“ als Argument gegen eine Einnahme von Jodtabletten angeführt. Eine solche Allergie ist jedoch grundsätzlich eine allergische Reaktion gegen die chemischen Verbindungen, wie man sie zum Beispiel in jodhaltigen Desinfektionsmitteln oder Röntgenkontrastmitteln findet. Sie ist nicht eine Reaktion gegen das Jod oder Salz selbst. Eine Allergie gegen Jod oder Salz ist nicht vorstellbar und wäre auch nicht mit dem menschlichen Leben vereinbar.
Abschließend soll auf ein mögliches Risiko insbesondere bei älteren Patienten hingewiesen werden, die erstmalig Jod als vorbeugende Maßnahme einnehmen wollen. Diese Patienten sollten grundsätzlich vorher fachärztlich untersucht werden, um mögliche Knotenbildungen sicher auszuschließen. Sogenannte „heiße“ Knoten können dazu führen, dass sich bei einer Aufnahme von mehr als 200 µg Jod eine Überfunktion der Schilddrüse ausbildet. Dieses Risiko gehen Patienten mit „heißen“ Knoten aber auch dann ein, wenn sie zum Beispiel im Urlaub am Mittelmeer zwei Wochen lang häufig Fisch verzehren oder sich in Ländern mit einer ausreichenden Jodversorgung wie z. B. in den USA aufhalten. Es ist eben dieses geringe Risiko für eine Überfunktion der Schilddrüse bei einigen Menschen, das den Gesetzgeber veranlasst hat, eine generelle Jodierung von Salz oder auch Trinkwasser nicht zuzulassen.
Kinder und Jugendliche profitieren praktisch immer von diesem Programm. Betreiben Sie eine vorbeugende Medizin! Schützen Sie sich und Ihr Kind durch eine tägliche Jodtablette!